Vodka ist nur Kartoffelschnapps!? Klar, rein, ohne Eigengeschmack, ohne Eigengeruch. Eben reiner Alkohol, sonst nichts. Was sonst? Warum also so viele unterschiedliche Marken und Sorten? Sind die etwa alle gleich? Eine Annäherung.
Wer zum ersten Mal mit Vodka in Berührung kommt, dem begegnet er entweder eisgekühlt, meist sogar fast tiefgefroren, oder in einem Cocktail, jedenfalls immer kalt. Ist er aber zu kalt, werden beim Trinken unsere Geschmacks- und Geruchsnerven betäubt und alles riecht und schmeckt fast gleich. Und im Cocktail gibt sich der Barkeeper zusätzlich alle Mühe ihn hinter allerlei Zutaten zu verstecken. Neutraler Alkohollieferant soll er sein, mehr nicht.
Aber damit tut man dieser Spirituose sehr unrecht. Vodka ist alt, sehr alt sogar, obwohl seine genauen Ursprünge im Dunklen liegen. Schon im 14. und 15. Jahrhundert behaupten sowohl Russen als auch Polen Ursprungsländer zu sein, aber die wahre Geschichte ist, wie fast immer, national eingefärbt und dem neutralen Betrachter bleibt wenig Objektives.
Richtig ist, dass „Vodka“ aus dem russischen übersetzt wohl „kleines Wässerchen“ bedeutet, im polnischen am Anfang nicht „Vodka“, sondern „Gorzalka“ genannt wurde („Vodka“ stand damals noch für Rasierwasser), und er heute fast überall auf der Welt hergestellt wird. Ausgangstoffe sind (fast) alle vergärbaren organischen Materialien wie Getreide, Kartoffel oder Melasse, dazu kommt Hefe, Wasser und eine Destillationsanlage. Fertig. Reifung gibt es nicht, Lagerung nur selten.
Manchmal noch aromatisiert ist die Flasche Vodka schon kurz nach der Herstellung im Regal des Handels.
In den Heimatländern des Vodka, Polen, Russland, Schweden oder Finnland war der Anspruch an Vodka schon immer etwas anders: Die Spirituose sollte den Charakter ihres Getreides zeigen: Weizen in Schweden und Russland, Gerste in Finnland und Roggen in Polen.
Aber Stopp. Hier sind doch schon die ersten Unterschiede zu finden: Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Gerste unterscheiden sich in ihrem Geschmack schon deutlich. Kartoffeln und Melasse sogar noch mehr.
Die Wasserqualität der einzelnen Marken ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt, in der Herstellung als auch am Ende, zur Verdünnung auf Trinkstärke. Immerhin sind ca. 60% des Flascheninhaltes Wasser.
Schaut man sich das Etikett auf einer Vodkaflasche, findet man oft einen ersten Hinweis auf die Zusammensetzung der jeweiligen Marke: Made of 100% Rye ist zum Beispiel auf vielen polnischen Vodka vermerkt, Made of 100% Grain oder Grain Neutral Spirit findet sich auf vielen russischen Vodka. Finnischer Vodka wirbt mit seiner verwendeten Gerste, schwedischer Vodka mit dem berühmten Winterweizen. Also doch Unterschiede!
Ein kleiner Exkurs in die Destillationskunde lehrt, dass Wasser mit Alkohol ein Azeotrop bildet, also eine Mischung, die destillativ nicht getrennt werden kann. Höher als 96,4 % Alkoholgehalt kann man auf diese Methode nicht einfach trennen. Der Rest sind Wasser und Aromastoffe. Aromastoffe aus den Rohstoffen! Das diese nicht so deutlich wie zum Beispiel in den braunen Spirituosen sind, soll ein Vergleich der Menge an Aromastoffen verdeutlichen: im Vodka findet man in der Regel um den Faktor 1000 weniger Aromastoffe wie z.B.in einem durchschnittlichen Blended Whisky.
Nun lesen wir das Etikett weiter: immer häufiger taucht der Begriff „gefiltert“ oder „gereinigt“ auf. Aktivkohle, oftmals viele Tonnen, Sandbettfilter, sogar Milch und viele andere Reinigungsarten sollen dem Destillat nun zur ultimativen Reinigung verhelfen. Darüber wird später noch ausführlich zu lesen sein.
Aber können diese Reinigungsmethoden wirklich den Vodka Wollkommen „neutralisieren“?
Ein kleiner Test hilft :
Gießen Sie den Vodka bei Zimmertemperatur in ein Nosingglas. Schauen Sie wie viskos er am Glas entlangläuft, wie sich wunderschöne, kirchenfensterartige Schlieren bilden, die Won Vodka zu Vodka, Won Marke zu Marke unterschiedlich sind. Manche Vodka sind ölig, andere leicht und glatt.
Nun verdünnen Sie ihn mit stillem Wasser auf ca. 20-25 % (indem man in etwa Wasser im Verhältnis 1:1 dazugibt) und riechen Sie. Ich bin sicher, erstaunen macht sich breit, denn Vodka hat Charakter!
Unterschiede machen sich besonders dort deutlich, wo Vodka auf der Basis unterschiedlicher Getreidesorten oder gar Kartoffel hergestellt wurde:
Eine Vodkamarke riecht, trotz Verdünnung, immer noch scharf, fast lösungmittelartig, ein zweiter kommt mit einer manchmal fast toffeeartigen Süße daher, die Wom Roggen, Weizen oder Gerste stammt, ein dritter schmeichelt der Nase durch Milde.
Aber das ist nur der erste Schritt: Nun kommt der Gaumen zu seinem Recht. Nehmen Sie einen Schluck Vodka in den Mund, unverdünnt. Nicht gleich schlucken! Nehmen Sie sich Zeit, lassen sie ihn am Gaumen und über die Zunge gleiten, erst dann darf er ihre Kehle hinablaufen. Beobachten Sie wie er dabei einen teils sanften, wohlklingenden Geschmack auf der Zunge und in Ihrem Mund hinterlässt, wie sein Nachklang in Ihrem Hals, der Brust und bis hinunter in den Magen seine Spuren hinterlässt. Keine zwei Vodka sind hier gleich: der eine wird wild und harsch sein, ein zweiter mild und Won einschmeichelnder Süße. Ein dritter lang und anhaltend im Nachklang und wieder ein anderer kurz und schnell.
Das zeigt die Vielfalt dieses Getränkes, die es nun auch im Cocktail wieder zu finden gilt. Hier ist es ungleich schwerer, aber dennoch, gerade wenn das Glas leicht anwärmt und das geschmolzene Eis den Vodka zusätzlich verdünnt, machen sich diese Nuancen bemerkbar. Es ist schwer sie immer zu finden, aber manchmal, z.B. bei einem Vodkatini kommt es schon sehr auf die richtige Auswahl des Vodka an, um den Wollendeten Genuss zu erleben.
Noch Wor Jahren wurde Vodka mit einem reinen, neutralen Geschmack und Geruch assoziiert. Heute ändert sich dies langsam. Die Industrie reagiert und immer häufiger wird „Vodka mit Charakter“ angeboten. In den USA gibt es schon „Vodka Connoisseure“, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die oben erwähnten Unterschiede dem Genießer in Tasting und Seminaren näher zu beleuchten und dem Interessierten nahe zu bringen. Und die Zahl der Genießer des Vodka wächst auch hierzulande beständig.
In der nächsten Ausgabe:
Eastern Style / Western Style? Was verbirgt sich hinter dieser Aufteilung?